Religionswissenschaftlerin und Indologin Wissenschaftliche Referentin für Weltreligionen Lehrbeauftragte für Indische Religionen
Religionswissenschaftlerin und IndologinWissenschaftliche Referentin für WeltreligionenLehrbeauftragte für Indische Religionen  

Hindus Afghanistan

Afghanische Hindus im Sri Ganesha Hindutempel Berlin

Ein „afghanischer Hinduismus“

 

Trotz der religiösen und kulturellen Nähe zu Indien handelt es sich beim Hinduismus aus Afghanistan um eine Richtung, die sich in ihrer gelebten Religionspraxis deutlich von indischen Hindus unterscheidet. Vorherrschend sind hier vor allem nordindische, insbesondere lokale Traditionen aus dem Sindh und dem Panjab vor. Eine weitere Besonderheit zeigt sich in einer gewisse Nähe zur  Sikhreligion. So sind einige afghanische Hindu- Tempel mit einem Baldachin ausgestattet, unter dem  sich neben traditionellen Hinduschriften auch das Heilige Buch der Sikhs, der Guru Granth Sahib befindet

 

Göttinnen und Götter der Afghanischen Hindus

In vielen afghanischen Hindutempeln finden sich neben traditionellen Hindugöttern wie Ganesha, Shiva, Lakshmi, Durga, Krishna und Radha, Rama, Sita und Lakshman finden auch Darstellungen des Begründers der Sikhreligion, Guru Nanak, der hier wie ein Gott verehrt wird, was auf eine Hindutradition der aus dem nordindischen Punjab stammenden „Nanakpanthis“ (Hindus, die gleichzeitig Nachfolger von Guru Nanak sind) hindeutet. Beliebt bei afghanischen Hindus ist auch der Hindu-Heilige Sai Baba von Shirdi (gest. 1918).

Eine weitere Besonderheit im Götterpantheon des afghanischen Hinduismus stellt Jhulelal (auch Darya Lal, Uderolal, Jyoty Swaroop, Amar Lal, Lal Sain) dar, ein Lokalheiliger, der vermutlich im 10. Jh. in der heute pakistanischen Provinz Sindh gelebt hat, als die Gegend unter muslimischer Herrschaft stand.  Verschiedene mündlich und schriftlich tradierte Legenden der Sindhitradition erzählen folgende Geschichte:

 

Zu jener Zeit regierte in der Provinz Sindh ein König namens Mirkshah. Eines Tages gab dieser an alle Bewohner seines Landes den Befehl aus, sich unter Androhung der Todesstrafe zum Islam zu bekehren. Unter ihnen befanden sich auch einige, welche den Wassergott Varuna verehrten und darum eine Bekehrung zum Islam verweigerten. Dieselben versammelten sich jeden Abend  am Fluss des Indus (auch Sindhus/Hindus) und  baten Varuna mit Opfergaben und Gesängen um ihre Errettung. Nach sieben Tagen erschien ihnen Varuna im Fluss und sprach: „Seid unbesorgt. Ich werde zu Euch kommen. Ein Kind wird geboren werden in der Stadt Nasarpur im Haus von Rai Ratan und Ma-Devaki. Dieses Kind werde ich sein. Geht zum Sultan und bittet ihn, noch sieben Tage zu warten, er wird eure Bitte gewähren” So kam im Sindhi-Monat Chet in der Stadt Nasarpur in einer Familie der Lohana-Kaste ein Kind zur Welt, dessen Geburt von Wundern begleitet war.  Als es den Mund öffnete, sahen seine Eltern darin den ganzen Sindhus fließen. Sie erkannten in ihm die Inkarnation des Gottes Varuna und nannten ihn Jhulelal (das schwingende Kind). Die Anhänger von Varuna wussten nun, das ihr Gott ihre Gebete erhört hatte. Der König wiederum, welcher Jhulelal zu vernichten suchte, wurde durch einen Traum von diesem Kind veranlasst, die Verfolgung der Hindus (die den Gott des Sindhus verehrten) zu stoppen und dem als Kind geborenen Wassergott nachzufolgen.

 

Da ein Großteil der Hindus, die in Afghanistan leben, aus der Provinz Sindh stammt, ist er auch unter afghanischen Hindus sehr beliebt. In Kandahar und Kabul sind ihm sogar eigene Tempel gewidmet.

 Als typische weibliche Gottheiten afghanischer Hindutempel sind die Darstellungen der Muttergöttinnen  Sheravali, und Santoshi Ma zu verzeichnen. Sheravali Mata gilt als Verkörperung der großen Göttin Durga und Muttergöttin schlechthin, und ein beliebter Ausruf afghanischer Hindus während der Zeremonien für sie ist: „Jai Mata Di“(sanskr., Sieg für die Mutter). Santoshi Maa gilt als relativ junge Göttin, die erst mit dem Film 1975 „Jai Santoshi Maa“ in Indien an Popularität gewonnen hat.

 

Feste

Neben den Hauptfesten des Hinduismus wie Diwali, Nauratri, Krishnajanmastami, Ganesha Chaturthi  werden in afghanischen Hindutempeln folgende weitere Anlässe gefeiert:  Matajagran, die achte Nacht des Nauratri-Festes im Frühjahr,  in der bestimmte Frauen als Inkarnationen der Göttin auftreten, Cheti Chand, der Geburtstag des Sindhigottes Jhulelal im Sindhi-Monat Chet (März/April), Lal Sai Chaliha, die 40-tägige Fastenzeit für Jhulelal im Sindhi-Monat Ashad (Juni/Juli) und Guru Nanak Jayanti, der Geburtstag des Sikhbegründers Guru Nanak im November.

 

Sprache

Die Hauptsprachen Afghanischer Hindus sind:  Multani, Kandhari, Kabuli, Sindhi, und Punjabi. Die Bezeichnung Multani, seit 1964 auch bekannt unter dem Namens Saraiki, leitet sich ab von der Stadt Multan im südlichen Punjab/ Pakistan. Sie dient heute als Verständigungssprache afghanischer Hindus sowohl untereinander als auch im Austausch mit indischen Hindus. Aus der Zeit in Afghanistan kommen je nach Aufenthaltsort Dari und Pashto  hinzu. In den Familien selbst werden je nach Herkunft der Familien als Muttersprachen Sindhi und Panjabi gesprochen, sowie Kandhari , eine Vermischung des Multani mit Pashto in Kandahar, und Kabuli, ein Sprachmix aus Multani mit Dari  in Kabul.

 

 

 

 

Druckversion | Sitemap

Dr. Liane Wobbe · Büro Weydinger Straße 14-16 · 10178 Berlin · Telefon: 030 24009893
info@lianewobbe.de · Impressum